...ich mache auch gleich mal den Anfang, indem ich direkt auf Holgers Punkte antworte:
zu 1.) also dass Sonnenlicht
keimtötend wirkt, finde ich persönlich ja eher positiv als negativ. Wer will schon ne verkeimte Tinktur...

*Scherz*
Wo Sonnenlicht tatsächlich gravierenden schädlichen Einfluss hat, ist die deutliche Zerstörung einiger lichtempfindlicher Vitamine. Da es hier aber speziell um den Ansatz von Schwedenkräutern ging, ist diese (negative) Wirkung des Sonnenlichts unerheblich, da Schwedenkräuter nicht wegen (evtl. in Spuren vorhandener) Vitamine wirken. Bei Schwedenkräutern geht es hauptsächlich um das Zusammenspiel verschiedener Bitterstoffe (daher auch Schwedenbitter!). Auf Bitterstoffe hat Sonnenlicht keinen negativen Einfluss. Tinkturen (mir fällt jetzt so spontan keine ein...

) bei denen auch Vitamine eine Rolle spielen, würde ich auch nicht im Sonnenlicht ansetzen.
zu 2.) Stimmt! Sonnenlicht kann chemische Veränderungen hervorrufen und vor allem sehr schnell auch die Farbe von alkoholischen Ansätzen verblassen lassen. Allerdings ist mir das beim Ansatz von Schwedenkräutern noch nie passiert. Wobei ich hier noch anfügen muss, dass ich sowohl den Schwedenkräuteransatz als auch andere Tinkturen meist nur in den ersten 14 Tagen dem Sonnenlicht aussetze und dann entweder die Flasche dunkel stelle oder mit Folie, Packpapier o.ä. abdunkle oder eben die Tinktur in Braunglasflaschen umfülle.
zu 3.) Also hier muss man echt deutlich unterscheiden, was die Rezeptur vorsieht. Manche Tinkturen müssen sogar während der Ansatzphase "warm gestellt" werden. Auch Maria Treben schreibt dies für den Ansatz der Schwedenkräuter vor. Die Wärme durch das Sonnenlicht ist also hier auch eher von Nutzen...
Gut, Wärmezufuhr kann auch durch andere Wäremquellen (und im Dunkeln) geschehn.
zu 4.) Hier gibt es tatsächlich verschiedene Ansätze und auch Überlieferungen. Möglich, dass die Kräuterfrauen und -männer während der Inquisition besonders vorsichtig waren und daher ihre Tinkturen (und auch andere Kräuteransätze) im Verborgenen, also im Dunkeln, haben reifen lassen. Es gibt aber besonders aus anderen Zeiten und anderen Kulturen völlig andere Überlieferungen, die sogar deutlich den Ansatz im Sonnenlicht vorschrieben, um die Kraft der lebensspendenden Sonne auf die Kräuteransätze wirken zu lassen. Diese "Lichttheorie" wird noch heute praktiziert und hier klaffen die Meinungen dann auch erheblich auseinander...
Auch die Einwirkung des Mondlichts oder der "Mutter Erde" (durch Vergraben) wurde verschiedentlich praktiziert. Unsere Vorfahren, besonders wenn man etwas weiter zurück geht als ins Mittelalter, verehrten Sonne, Mond und Erde als etwas Heiliges, dem sie besondere Kräfte zuschrieben. Wobei das Vergraben in der Erde noch zusätzlich den Sinn hatte, dass in einer bestimmten Tiefe eine relativ gleichmäßige Temperatur ohne Schwankungen herrscht. Früher gab es eben noch nicht die technischen Hilfsmittel der heutigen Zeit und man musste sich so behelfen.
Im Kräutergarten Artemisia wird übrigens noch heute das Vergraben von Wurzeltinkturen praktiziert, möglichst in der Umgebung der entsprechenden Pflanzen. Also wird z.B. die Wurzeltinktur der Kardenwurzel 50 cm tief für etwa 2 Monate im Feld mit den Karden vergraben, um so
"...die Kraft des gesamten Feldes nochmals in diese Spirituose einzubringen. In dieser Tiefe der Erde ist eine gleich bleibende Temperatur vorhanden und die Kraft der Erde trägt zur optimalen Reifung der Spirituose für unseren Körper bei..."
Überhaupt haben unsere Vorfahren sehr deutliche Unterschiede gemacht bezüglich des Verfahren des Ansatzes, je nachdem, aus welchem
Pflanzenteil die Tinktur hergestellt wurde. Das ging schon beim Sammeln los. Wurzeln z.B. sollten niemals dem Sonnenlicht ausgesetzt werden und wurden daher entweder schon vor oder eben nach Sonnenauf- bzw. Sonnenuntergang gegraben. So ist es auch verständlich, dass eine Wurzeltinktur auch nicht während der Ansatzphase dem Sonnenlicht ausgesetzt wurde.
Bei Blütentinkturen war es genau gegenteilig. Sie wurden in der Sonne gesammelt und auch in der Sonne angesetzt.
Übrigens gibt es dann auch noch Pflanzen, die ohne den Einfluss des Sonnenlichts überhaupt keine Wirkung im Ansatz entwickeln. Beste Beispiel ist das Johanniskraut. Ohne Sonnenlicht keine besonders wirksame Tinktur und erst recht kein Rotöl...das sieht man schon deutlich an der intensiv roten Färbung, die
NUR DANN eintritt, wenn Johanniskraut-Tinktur oder -Öl lange genug intensiver Sonnenbestahlung ausgesetzt waren...
Ich versuche, mich möglichst an die alten, überlieferten Verfahren zu halten, denn ich finde, dass unsere Vorfahren auch ohne wissenschaftliche Studien und Belege recht gut wussten, was sie da tun. Tinkturen aus "oberirdischen" Pflanzenteile, wie Blüten und Blättern, lasse ich also in den ersten 14 Tagen im Sonnenlicht reifen, stelle sie aber zur Lagerung dann auch dunkel oder fülle in dunkle (Braunglas-) Flaschen um.
Tinkturen aus "unterirdischen" Teilen, wie Wurzeln Rhizome, Knollen usw. stelle ich bereits zum Reifen dunkel oder setze gleich in dunklen (Braunglas-) Flaschen an.
Bei Mischungen halte ich mich möglichst an eine vorhandene Vorschrift dazu im Rezept oder lasse ganz nach meinem "Bauchgefühl" entweder in der Sonne oder im Dunklen reifen.
So, nun Ring frei für eure Meinungen und Erfahrungen
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