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Alte Rezepturen und ihre Tücken in der heutigen Zeit

1 wegwarte

Da sich diese Diskusion gerade in den Postings zum Thema Kräuter und andere Heilmittel für Tiere ergeben hat und immer weiter diskutiert wird, möchte ich es gerne als gesondertes neues Thema hier weiter diskutieren.

Zunächst möchte ich mal meine ausführliche Meinung dazu schreiben:

Ich persönlich interessiere mich sehr für die alten überlieferten Rezepturen...nicht nur solche mit Heilkräutern. Inzwischen habe ich auch ein paar Bücher dazu lächel

Leider bergen solche Rezepturen hin und wieder auch einige Tücken, Probleme und sogar Risiken. Das hat meiner Meinung nach vor allem folgende Gründe:

1. "alte" und unbekannte Bezeichnungen und Benennungen für Kräuter, andere Zutaten und die Krankheiten selbst:
In der aktuellen Diskusion war es die Bezeichnung "Fussballen" für eine Erkrankung beim Pferd. Was hinter der Pferde-Krankheit "Feifel" steckt haben wir vor einiger Zeit auch intensiv recherchieren müssen. Solche Namen sind heute nicht mehr gebräuchlich und auch die Internet-Suchmaschinen sind hier etwas überfordert....kurz man muss einiges an Zeit investieren, um herauszufinden, um welche Krankheit es sich tatsächlich handelt oder welche Symptome dahinterstecken.
Bei Kräutern und anderen Zutaten ist es genauso. Es gibt noch heute alte Rezepturen, zum Beispiel von Hildegard von Bingen, bei denen sich selbst Fachleute nicht 100% sicher sind, welche Pflanze tatsächlich gemeint ist. In der Rezeptur von Maria Treben zum "Großen Schwedenbitter" ist zum Beispiel die Zutaten "Diotöm" drin. Mit Diotöm ist hier tatsächlich Kieselerde gemeint(**bitte Nachtrag lesen). Diotöm ist aber auch eine alte Bezeichnung für Meisterwurz (Peucedanum ostruthium) und manche haben das sogar einfach mit Diptam (Dictamnus albus) übersetzt. Schon stimmt die ganze Rezeptur nicht mehr.

2. Beschaffung der Zutaten:
Auch das ist manchmal super schwierig wenn nicht gar unmöglich. Opium z.B. unterliegt heute dem Betäubungsmittelgesetz und kein Mensch bekommt es legal, um davon eine eigene Rezeptur herzustellen. Und wo bekommt man den heute Bärenfett oder Dachsschmalz her? Ich hab hier schon Probleme mit Ziegenbutter/-fett....und das sind nur einige Beispiele. Nicht immer kann man einfach durch eine andere Zutat austauschen. Unter Umständen wirkt die ganze Rezeptur dann anders oder garnicht mehr.

3. Giftigkeit mancher Zutaten:
Von manchen Zutaten, die früher bedenkenlos verwendet wurden, wissen wir heute einfach wie ungesund und giftig sie sind. Dann ist das Risiko davon krank zu werden eventuell größer als die Möglichkeit, dass es ein Gebrechen heilt.
Ich behaupte mal, dass liegt zum Teil einfach auch daran, dass wir und auch die Nutztiere sich im Laufe der vergangenen Jahrhunderte verändert haben. Früher hatten wir mit manchen Dingen einfach weniger Probleme...unser Körper hat sie anders verdaut. Heute reagiert unser verwöhnter Körper darauf halt ganz anders.

Fazit: Mit Sicherheit sind viele alte Rezepturen an sich gut. Aber wenn ich mir nicht wirklich sicher bin, welche Zutaten da nun genau drin sind oder welche Krankheiten ich damit behandeln kann, sollte man davon doch besser die Finger lassen.
Klasse wäre natürlich auch, wenn man mit einer solchen Rezeptur auch gleich die korrekte "Übersetzung" geliefert bekommt, sonst ist die beste Rezeptur unter Umständen nutzlos lächel

**Nachtrag: Die Information, dass es sich bei Diotöm um Kieselerde handelt, hatte ich vor Jahren von einem Heilpraktiker aus einem anderen Forum erhalten und da mir die Quelle glaubwürdig erschien, einfach übernommen. Inzwischen habe ich aber selbst etwas mehr recherchiert und bin mir da absolut nicht sicher. Ich konnte nirgends eine Quelle finden, die das auch bestätigt oder sogar belegt. Die meisten Hinweise gibt es dazu, dass es sich bei Diotöm doch um Diptam (Dictamnus albus) handelt. Auch in den in Tirol erhältlichen Kräutermischungen, die nach Aussage der Vertreiber die Kräuter für den großen Schwedenbitter original nach Maria Treben enthalten sollen, ist Diptam enthalten...daher habe ich den Satz** dazu oben vorerst gestrichen, solange das nicht endgültig und möglichst belegbar geklärt ist.

Liebe Grüße Dagmar

01.03.2007 19:46 | geändert: 28.02.2008 20:04

2 Daggi (Gast)

Sehr schön gesagt, Dagmar.
Gruß Daggi

04.03.2007 20:43

3 Lotti

Hi Dagmar,

danke lächel

Liebe Grüsse

Lotti

06.03.2007 14:42

4 DoSt

Hallo zusammen,

ich möchte hier auch noch einen Punkt einbringen, der mir in der letzten Zeit oft Sorgen bereitete:

4. Qualität mancher Zutaten:
Füher nahm man Zutaten, die man in der Natur fand, verarbeitete diese mit natürlichen Methoden (digerieren im Pferdemist = ca. 70°C, destilieren im Sandbad, ...) und natürlichen Materialien wie z.B. Holz und Ton. lächel

Heute müssen viele Zutaten gekauft werden, von denen ich kaum weiß, wie sie mishandelt (gespritzt / zu heiß getrocknet / ...) wurden. hmmm Findet man Pflanzen in der Natur, dann weiß man eigentlich nicht wirklich, ob es sich nicht bereits um gentechnisch veränderte Arten handelt (es wurden / werden viele Versuche mit landwirtschaftlich unbedeutenden Kulturen, sog. 'Unkräutern', gemacht, um z.B. die Herstellung von Medikamentenwirkstoffen mittels gentechnisch veränderter Pflanzen zu testen). staun Und zu guter letzt: Milch, die keine Milch ist, Käse, der kein Käse ist, Honig mittels Enzymen aus Zucker hergestellt, ... wütend

Verarbeite ich dann diese Ausgangsstoffe weiter, so bin ich - wenigstens als Stadtmensch - auf Elektroherd & Co. angewiesen. Es ist überall Metall vorhanden - vor allem Eisen, welches Pflanzen überhaupt nicht mögen (oder hat noch jemand Ton-Töpfe?), Keramik ist entweder mit/aus 'Zirkonium' oder mit anderen High-Tec-Materialien versetzt und der nächste Handy-Sendemast ist sicher auch gleich in der Nähe (die Dinger sind heutzutage kleiner als eine 1-Liter-Milchflasche bei gleicher Sendeleistung und oft in Hauseingängen und Litfaßsäulen versteckt - bei mir um die Ecke in den Schräbergärten ist mein Handy oft eingeloggt, ich kann zwar sagen: 'eine von diesen drei Gartenlauben', aber zu sehen ist da nichts).

Außerdem müssen sich Pflanzen auch weiter entwickeln und sich der veränderten Umwelt ständig anpassen, um überhaupt überleben zu können. So muß man eigentlich davon ausgehen, daß z.B. Gundermann anno 1400 nicht mit Gundermann anno 2000 identisch ist.

Diese Beispiele zeigen welche Faktoren im Vergleich früher / heute auch noch alle zu berücksichtigen wären.

Liebe Grüße
Steffen

08.06.2010 11:33

5 DoSt

Wenn ich das jetzt so lese, klingt das alles sehr negativ, fast erdrückend. Ich habe aber selbst noch keine Lösung, nicht einmal ansatzweise. Bin erst mal froh, daß ich das überhaupt so weit erkannt habe.

Lest es deshalb bitte so etwa als Warnhinweis "Vosicht, bei Nässe Rutschgefahr!"

Steffen zwinker

08.06.2010 11:43

6 Lotti

Hallo ihr,

es gibt noch einen Aspekt den man nicht vergessen sollte...

Früher wurden die Böden noch anders bewirtschaftet. Es gab mehr Würmer im Boden, weniger chemische Keulen auf den Feldern etc. Nur was im Boden enthalten ist, kann auch von der Pflanze aufgenommen werden. Auch Höhenunterschiede spielen bei den Wirkstoffen einer Pflanze eine Rolle. Dass Pflanzen Schwankungen unterliegen was die Inhaltsstoffe angeht, wird immer wieder irgendwo erwähnt. Ich gehe also davon aus, dass die Kräuter früher einfach auf Grund ihrer anderen Wachstumsbedingungen auch anders waren. Sicherlich nicht von den Grundeigenschaften her, aber von der Wirkintensität oder vielleicht auch in der Wirkweise durch veränderte Mineralien, Schwermetallen, verwertbaren Stickstoffmengen und anderen Dingen im Boden.

Liebe Grüsse, Lotti

Trotzdem bin auch ich ein Fan der alten Bücher und des alten Wissens, dass teilweise wirklich 1:1 in die heutige Zeit übertragbar ist.

08.06.2010 12:23 | geändert: 08.06.2010 12:24

7 DoSt

Hallo zusammen,

noch ein weiterer Punkt, den man berücksichtigen sollte.

Die Ausdrucksweise:
Früher wurde auch schon mal in Metaphern gesprochen.
Ich vermute, daß es sich bei der Mistel um eine solche handeln könnte. Lotti schreibt dort unter 'Geschichtliches':

Die Priester schnitten sie mit goldenen Messern ...
Die Mistel sollte keinen Erd- und keinen Metallkontakt haben, um ihr volles Potetial zu behalten. Und dann ein goldenes Messer? Zumal reines Gold sehr weich ist - solch ein Messer wäre sicher sehr schnell stumpf. Ich vermute eher, daß es sich um eine Metapher für

'Messer = Verstand' und
'Gold = höchst mögliche Entwicklungsstufe (eines Metalls) in der Alchemie'

handelt.

Das würde dann im konkreten Fall bedeuten: Das Sammeln einer Mistel sollte man mit reichlich Überlegung, quasi mit Bedacht, angehen. Also nix '... hatte ich so im Gefühl ...' und schon gar nicht das gierig-herzlose nach-mir-die-Sintflut-Denken, was besonders in Ballungsgebieten in Bezug auf Pflanzen leider noch oft anzutreffen ist. wütend Was da aber beim Mistel-sammeln bedacht werden sollte weiß ich leider auch nicht. Vielleicht, daß man sich nicht nur Symptome ansieht, sondern den ganzen Menschen inklusive seines Umfeldes oder daß man nur einfach mal aufschaut, von seinem alltägliche Trott - weil Misteln auch immer oben wachsen? zwinker

Lieber Gruß
Steffen lächel

09.06.2010 08:58

8 DoSt

Apropos Metapher:

Du musst verstehn!
Aus Eins mach Zehn,
Und Zwei lass gehen,
Und Drei mach gleich,
So bist du reich.
Verlier die Vier!
Aus Fünf und Sechs,
So sagt die Hex,
Mach Sieben und Acht,
So ist's vollbracht:
Und Neun ist Eins,
Und Zehn ist keins.
Das ist das Hexen-Einmaleins.

J.W. von Goethe, Faust I

09.06.2010 09:19

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